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Gritzner, Pfaff, RaumFabrik, Industrialisierung eines Städtchens Lukas Kirchgäßner

Ende des 19. Jahrhunderts kündigte sich in Durlach der Beginn einer neuen Zeit an. Rauchende Schornsteine und große Fabrikanlagen begannen das Bild der Stadt zu bestimmen. Geringe Grundstückspreise und eine direkte Anbindung zur Bahnstrecke begünstigten die Ansiedlung großer Industrieunternehmen. Zu den bedeutendsten und größten Fabrikanlagen seiner Zeit gehörte die Maschinenfabrik Gritzner. Hergestellt wurden zunächst Nähmaschinen, später auch Fahrräder, Mopeds und Dampfmaschinen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Produkte und Innovationen aus Durlach in die ganze Welt exportiert.Asche, Susanne: Fabrik im Museum: Industrie und Gewerbe in Durlach, Verlag: INFO Verlag, 2003 Noch heute bildet das ehemalige Industrieareal einen wichtigen Stadtbaustein im Zentrum Durlachs.

Postkarte, Stadtarchiv Karlsruhe U I / 153

Gritzner

Gegründet wurde das Unternehmen von Carl Max Gritzner. Bereits im Jahre 1868 sollen in Durlach Nähmaschinen unter dem Namen Gritzner gefertigt und vertrieben worden sein. Dies belegen Empfehlungen aus Pariser Modezeitschriften, die bereits in diesem Jahr Werbung für die Produkte aus Durlach machten.</p> <p>Adressbuch Stadt Karlsruhe S. 19, 1961, Badische Landesbibliothek: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/629850 [02.07.2021]; vgl. Adressbuch der Stadt Karlsruhe, 1961, S. 19, https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/629850 [02.07.2021] Den Erfolg und rasanten Aufstieg verdankt das Unternehmen dem Ideenreichtum und der Innovationskraft des Firmengründers. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stieg das Unternehmen zum bedeutendsten Nähmaschinenproduzenten in Europa auf. Zwischen 1886 und 1914 wächst das Firmengelände von 9.038m² auf 112.000m².  Eigene Industriegleise sorgten für den Anschluss an die Bahnlinie. Aufgrund des stark zunehmenden Güterverkehrs wurde 1913 ein separater Güterbahnhof errichtet. Mit 3.500 Mitarbeitern war Gritzner der größte Arbeitgeber in Durlach und Umgebung. Frauen zählten bereits in den 20er-Jahren zur Belegschaft des Unternehmens.

Blick auf das Industriegelände mit dem alten Güterbahnhof, links Gritzner. Stadtarchiv Karlsruhe U I / 165, 6
In der Werkstatt. Stadtarchiv Karlsruhe, Sammlung Gritzner
Produktanzeige. Stadtarchiv Karlsruhe F I / 3

Zu Beginn der 30er Jahre fusioniert Gritzner mit dem pfälzischen Unternehmen Kayser und existierte künftig unter dem Namen Gritzner-Kayser AG weiter. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Fabrikanlage zur Produktion von Rüstungsgüter umfunktioniert und in Folge dessen 1944 stark durch Bomben zerstört. Nach dem Krieg wird vor allem die Herstellung von Nähmaschinen wieder aufgenommen bis im März 1955 ein Brand große Teile der Produktionsgebäude zerstörte. Dennoch wuchs das Areal weiter. Bereits im selben Jahr entstanden Pläne zum Bau eines 120 m langen Produktionsgebäudes entlang der Amalienstraße.

Brand bei Gritzner 1955. Stadtarchiv Karlsruhe, Sammlung Gritzner
Luftbild. In: 125 Jahre Pfaff, Kaiserslautern 1987

Pfaff

Das Gelände wurde ein Jahr später von der Pfaff AG mit Hauptsitz in Kaiserslautern übernommen. Daraufhin betreute das Karlsruher Architekturbüro Backhaus und Brosinsky den Aufbau der zerstörten Gebäude . Das neu entstandene Kesselhaus und der 55 m hohe Schornstein aus rotem Ziegel wurden zum neuen Wahrzeichen des Areals. In den 80er Jahren kam es zu Krisen bei den Hauptabnehmern aus der Bekleidungs- und Schuhindustrie. Trotz großer Bemühungen von Gewerkschaft, Belegschaft und Ortschaftsrat wurde das Werk Karlsruhe-Durlach 1996 geschlossen.

Raumfabrik

Zur Jahrtausendwende wurde das Areal aufgekauft. Nach zahlreichen Umbaumaßnahmen dient die ehemalige Fabrikanlage heute als Gewerbepark und ist gemeinhin unter dem Namen RaumFabrik-Durlach bekannt.

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Lukas Kirchgäßner
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Deutschland
Stadt
Karlsruhe