INFORMELLES WOHNEN IN PORTUGAL, SELBSTORGANISIERTE STRUKTUREN ALS FOLGE DER DEKOLONIALISIERUNG AN DEN STADTRÄNDERN VON LISSABON Hannah Hopp

Zusammenfassung der gleichnamigen freien Studienarbeit

Infolge der Nelkenrevolution und der geopolitischen Neukonfiguration der ehemaligen Kolonien Portugals kam zu verstärkten Einwanderungen aus portugiesischsprachigen, afrikanischen Ländern. Nachdem Portugal 1986 Mitglied der EU wurde, kam es zu einer erneuten Einwanderungswelle.

Lissabon wurde für 80% dieser Einwanderer*innen das neue Zuhause. Dies schuf einen enormen Bedarf an neuem Wohnraum, der jedoch nicht aktiv durch die Regierung mittels einer effektiven Wohnungspolitik angegangen wurde https://t1p.de/aqxt (abgerufen: 14.07.2021)

Dreifache Befestigungsanlage - Linien von Torre Vedras, 1810, https://t1p.de/37ij

Stattdessen siedelten Einwandergruppen informell an den Stadträndern Lissabons.

Viele der Siedlungen entstanden entlang des alten Festungswalls, heute die Estrada Militar, ursprünglich zugehörig zu den sogenannten Linien von Torre Vedras. https://t1p.de/36zc (abgerufen: 14.07.2021)

Bairro da Jamaica, Seixal - Wohngebäude mit davorliegender Brach-und Grünfläche & ursprünglichen Fußballplatz, eigene Aufnahme

Bairro da Jamaica

Die Nachbarschaft Bairro da Jamaica oder auch Vale de Chícharos besteht aus vier zusammenhängenden 5 – 6-geschossigen Wohngebäuden. Diese wurden in den 1980er Jahren nach Insolvenz der verantwortlichen Baufirma im Rohbauzustand belassen.

Anfang der 90er Jahre besetzten Einwandererfamilien portugiesichsprachiger, afrikanischer Länder (PALOP‘s) den Komplex und vervollständigten die Gebäude notdürftig.

Derzeit leben dort 74 Familien, circa 1200 Menschen, unter prekären Bedingungen – geprägt von Überfüllung, hygienischen Problemen und ohne Mindestbedingungen für Sicherheit, Bewohnbarkeit und Gesundheit. https://t1p.de/9t3h (abgerufen: 15.07.2021)

6 de Maio, Amadora - Letzte vorhandene Wohnbebauung der ursprünglich informellen Nachbarschaft, eigene Aufnahme

6 de Maio

Die Nachbarschaft 6 de Maio liegt nicht weit vom Stadtzentrum entfernt, im nördlich von Lissabon gelegenen Stadtteil Amadora. Bis vor wenigen Jahren gehörte sie zu den größten informellen Strukturen an den Lissa­bonner Stadträndern.

Die Menschen, die in 6 de Maio leben, kommen hauptsächlich von den Kap Verden. https://t1p.de/srbl (abgerufen: 16.07.2021) Einfache Häuser, enge Gassen, verwinkelte Straßenzüge, wenig Sicherheit und hohe Kriminalität prägten das Bild dieses Stadtviertels, be­vor die Community immer weiter verdrängt wurde. 2016 begannen in 6 de Maio Zwangsräumungen, Razzien, sowie der Abriss der Gebäude. https://t1p.de/xt1m (abgerufen: 16.07.2021)

Alto da Damaia, Amadora - Kleinteilige, selbstgewachsene Bebauungsstruktur entlang der alten Militärstraße, eigene Aufnahme

Alto da Damaia

Auch in dieser Nachbarschaft Alto da Damaia in Amadora stammt ein Großteil der Bewohner*innen von den Kap Verden. Die Siedlung entstand vor mehr als 30 Jahren. Abrisspläne für dieses Gebiet schreiten aktuell ebenfalls voran. https://t1p.de/b9ke (abgerufen: 23.07.2021)

Die Gebäude sind derzeit in unterschiedlichsten Zuständen – so sind manche gemauert, haben richtige Fenster und Anschluss an Wasser und Strom. Andere sind nicht viel mehr als  Wellblechbaracken.

Dazwischen befinden sich immer wieder größere Baulücken – hier wurde entweder bereits komplett abgerissen oder Gebäudereste werden weiter als Behausung oder Aufenthaltsfläche genutzt.

Als Lösungsansatz für diese informelle Strukturen an den Stadträndern und deren Wohnsituationen entstand 1993 die PER-Strategie (Programa Especial de Relojamento) – ein spezielles Umsiedlungsprogramm, das auf die Beseitigung der informellen Strukturen abzielte. Der PER-Ansatz sollte den Metropolen Lissabon und Porto ermöglichen, Bewohner*innen der informellen Siedlungen in konkrete Sozialwohnungen umzusiedeln. https://t1p.de/gzu0 (abgerufen: 27.07.2021)

Kritik an dem PER-Programm wird vor allem am Abriss informeller Siedlungen geübt noch bevor Bewohner*innen alternative Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Die dadurch immer weiter ansteigende Obdachlosigkeit in Lissabon steht als Folge des PER-Ansatzes neben dem Aspekt, dass bei der Umsiedlung vielmehr eine Verlagerung der Problematik als dessen Lösung stattfin­det.

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Hannah Hopp
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Lissabon