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Parfümerie- und Feinseifenfabrik Wolff & Sohn Dominic Faltien

Wo heute Streifenwagen vorfahren, wurde einst Kosmetik von internationalem Interesse produziert. Über 80 Jahre lang wurden Produkte wie die Toilettenseife Kaloderma, die Indische Blumenseife und die Parfümreihe Divina am Standort der Durlacher Allee 31-33 in der Oststadt Karlsruhes hergestellt. Mit einem Tochterunternehmen in der Schweiz und zahlreichen Werbekampagnen – unter anderem in der Modezeitschrift Vogue – gelang es Friedrich Wolff und seinem Vater Gottlob Friedrich Wolff, seines Zeichens Hoftheaterfriseur, internationalen Ruhm zu erlangen. Binnen 15 Jahren gelang es dem Familienunternehmen auf über 1000 Mitarbeiter*innen anzuwachsen.Vgl. Stadtarchiv Karlsruhe (Hrsg.): Industriearchitektur in Karlsruhe, Braun: Karlsruhe 1987, S. 51-67; vgl. Angelika Sauer: Wolff & Sohn Parfümerie- und Toilettenseifenfabrik, Stadtlexikon Karlsruhe, 2012, https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ins-0041 [12.06.21]

Ausschnitt eines Werbeplakats der Firma Wolff & Sohn aus dem Jahre 1891. Stadtarchiv Karlsruhe 8/StS 24/81.

Firmenhistorie

Die Anfänge des Familienunternehmens liegen im Herzen Karlsruhes. In der Karl-Friedrich-Straße lag der väterliche Friseurbetrieb. 1857 stieg Sohn Friedrich Wolff in das Unternehmen mit ein und führte den Ausbau der Seifen- und Parfümproduktion fort. Die ersten Fabrikstandorte entstanden in Zentrumsnähe. Nach Repräsentationen auf Weltausstellungen in den Vereinigten Staaten und Australien und dem damit einhergehenden internationalen Interesse, begann Friedrich Wolff 1889 mit der Planung eines Fabrikneubaus an der Durlacher Allee. Dafür wurde Architekt Hermann Walder beauftragt. 1891 zog die Firma F. Wolff & Sohn in die neuen Räumlichkeiten um, welche nun direkt an das überrheinische Eisenbahnnetz angeschlossen war.Vgl. Stadtwiki Karlsruhe: Wolff & Sohn,  https://ka.stadtwiki.net/Wolff_&_Sohn [28.06.2021]

In Folge des schnellen Wachstums folgten ständige Erweiterungen: 1900 ein südöstlicher Anbau für Verpackung und Versand an das Hauptgebäude; 1905 wurden Kessel- und Maschinenhaus durch einen Neubau ersetz, dabei wich der Schornstein; 1910 folgte eine Aufstockung des Westflügels (eigentliche Fabrikation); 1913 eine Aufstockung des Hauptbaus. Nach Kriegsschäden an der westlichen Angestelltenvilla und dem Maschinenhaus verlor die Anlage mit dem Abriss der beiden Bauten endgültig ihre Symmetrie.Vgl. Stadtarchiv Karlsruhe (Hrsg.): Industriearchitektur in Karlsruhe, Braun: Karlsruhe 1987, S. 51-67

Lageplan mit den wesentlichen baulichen und zeitlichen Veränderungen, eigene Zeichnung, Dominic Faltien

„Wolff & Sohn war ein wichtiger Wegbereiter der baulichen und sozialen Entwicklung der Oststadt.“

Räume der Arbeit

Durch das rasante Wachstum der Firma gab es eine erhöhte Nachfrage an Wohnraum für die Belegschaft der Fabrik. Die eigenen Werkswohnungen auf dem Firmengelände waren schnell an ihren Grenzen angelangt. Gegenüber der Durlacher Allee 31-33 entstand eine Kantine und ein dazugehöriger Garten, um sich von der Arbeit zu erholen. Friedrich Wolff war die Gesundheit seiner Mitarbeiter schon immer ein Anliegen, auch wenn der Arbeitsalltag teilweise sehr pedantisch vorgeschrieben und durchgezogen wurde.Vgl. Riedel, Thomas: „Es war einmal in Karlsruhe: Von der Seifenfabrik zum Polizeipräsidium“, in: ka-news.de, 12.09.2017, https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/stadtgeschichte./Es-war-einmal-in-Karlsruhe-Von-der-Seifenfabrik-zum-Polizeipraesidium;art6066,2112969 [28.06.2021]

Die Arbeiter*innen werden in die Pause gelotst 1954. Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A3/23/3/30A, Fotograf: Horst Schlesiger, Karlsruhe
Werkswohnungen auf dem Betriebsgelände zur Veilchenstraße, 1980. Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A39/63/1/07, Fotograf: Horst Schlesiger, Karlsruhe

Heutige Situation

Heute wirkt das Gebäudeensemble völlig selbstverständlich im Kontext der Stadt. Das mag vor allem daran liegen, dass es mit der Zeit zahlreiche Erweiterungen gegeben hat, welche die großmaßstäbliche Firmenanlage nach außen immer weiter fragmentierten. Zudem ist zu erkennen, dass die Gebäudetiefen ungewöhnlich schlank für eine Fabrikanlage waren. Am Straßenrand der Gerwigstraße verdeckten die Werkswohnungen die Nebengebäude wie Siederei, Stallgebäude oder Lagersilos. Lediglich die eigens errichtete Gleisanlage und der hohe Schornstein ließen auf einen Produktionsstandort schließen. Da es heute keinen Schornstein und keine Gleise mehr gibt, erinnern nur noch wenige Bauelemente an die großmaßstäbliche Produktion von Seifen an diesem Ort.Vgl. Riedel, Thomas: „Es war einmal in Karlsruhe: Von der Seifenfabrik zum Polizeipräsidium“, in: ka-news.de, 12.09.2017, https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/stadtgeschichte./Es-war-einmal-in-Karlsruhe-Von-der-Seifenfabrik-zum-Polizeipraesidium;art6066,2112969 [28.06.2021]

Verputzte Fassade und Aufstockungen,1973. Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A27/04/3/26, Fotograf: Horst Schlesiger, Karlsruhe

Bemerkenswert war die auffällig unauffällige Fassadengestaltung. Die Symmetrie der Frontfassade lässt nicht unbedingt auf eine Produktionsstätte hinweisen. Vielmehr könnte es sich hierbei um eine städtische Institution handeln, welche sich in das gewachsene Gefüge der Stadt einbindet. Nach Kriegsschäden und Bränden ist die feine Fassadenstruktur heute teilweise hinter einer Putzschicht versteckt. Dennoch strahlt sie eine gewisse Geschichte und Erhabenheit aus.Vgl. Interview via E-Mails mit Thomas Wiedemann, Polizeipräsidium Karlsruhe, [15.06.2021]

Fassadendekoration 1902. Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 481/18c

Das 2021 hinzugekommene Finanzamt, das Polizeipräsidium und die zukünftigen geplanten Erweiterungen profitieren heute von der opulenten und zurückversetzten Eingangsgeste des Hauptbaus – auch wenn diese nicht mehr die Symmetrie wie zu Firmengründung ausstrahlt.

Heutige Ansicht der Hauptfassade und dem neu entstandenen Finanzamt zur linken Seite, eigene Aufnahme, Dominic Faltien
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Karlsruhe